Abtauchen in die Romanwelt
Wie im ersten Teil bereits beschrieben, arbeiten Autoren sehr unterschiedlich an ihren Werken. Meine Romane bestehen eigentlich aus einzelnen Episoden, die sich dann zu einer kompletten Geschichte zusammenfinden. Ich schreibe daher auch nicht dem zeitlichen Ablauf der Story entsprechend, sondern ich schreibe die Abschnitte unabhängig davon. Das Ende steht dabei schon zu einem recht frühen Zeitpunkt fest. Nach und nach, fast wie bei einem Puzzle, setzt sich die Geschichte dann zusammen. Dafür ist es notwendig, dass ich mein Autorenbuch gut pflege, damit ich nicht durcheinander komme und genau weiß, was wann zu passieren hat.
Bei meinem Romanstil ist diese Art zu schreiben von Vorteil, denn es gibt viele amüsante Passagen, die Lebensfreude ausdrücken, die dem Leser einen unbeschwerten Lesegenuss bereiten sollen. Aber dazwischen sind immer wieder auch Phasen im Roman, wo es traurig und ergreifend wird, wo der Leser nachdenklich werden soll und wo das Leben eben nicht nur aus Spaß und Leichtigkeit besteht.
Es ist natürlich optimal, wenn man sich als Autor in diesen jeweiligen Zustand hineinversetzen kann. Je nach Stimmung entstehen also eher die einen oder die anderen Texte. Oft hilft mir dabei Musik. Denn Musik drückt so vieles aus und mit bestimmten Songs verbindet man vieles, was man erlebt hat. Musik hat einen Einfluss auf die Psyche. Diesen Umstand mache ich mir zu Nutze und habe daher Songlisten auf meinem iPod zusammengestellt, die mich in die Stimmung versetzen können, die ich zum Schreiben der jeweiligen Passagen brauche.
In einem Schreiburlaub geht das besonders gut. Man braucht auf niemanden Rücksicht zu nehmen, kann den Zwängen des Alltags entfliehen und sich ganz in seine Romanwelt begeben. Da mich der Blick auf das Meer auch immer besonders inspiriert, ist es klar, dass ich mich am Meer zum Schreiben besonders wohl fühle.
Und so habe ich mich also mit dem Zug auf den Weg nach Riccione begeben. Jenem Ort, der im Adria-Express einer der Hauptschauplätze war. Mit dem Nacht-ICE ging es von Frankfurt nach München. Im Großraumwagen war wenig Platz und so habe ich mich in den Speisewagen gesetzt. In dieser ganz speziellen Atmosphäre fiel mir das Schreiben leicht, ich habe bis zur morgendlichen Ankunft in München einige Seiten schreiben können.
Weiter ging es im Eurocity über die Alpen. Man erlebt so einiges auf einer solchen Bahnfahrt und zum Autorendasein gehört auch, dass man seine Umwelt genau beobachtet und Anregungen für die kleinen Episoden des Romans aufnimmt. Auf einer solchen Reise passieren viele interessante Dinge, man muss nur die Augen offenhalten. Von Bologna brachte mich der Regionalzug dann nach Rimini. Und so wie es Tim im Adria-Express tat, fuhr auch ich mit dem Bus nach Riccione, dem Ziel meiner Reise.
Hier wohne ich in einem Hotel direkt am Strand und kann das Meer sehen, während ich diese Zeilen schreibe. Ich lebe hier meine ganz persönliche schriftstellerische Freiheit. Es gibt keine Zwänge. Ich mache, wonach mir ist und wozu ich gerade in Form bin. Egal, was für ein Tag und welche Uhrzeit gerade ist.
An den ersten Tagen fehlten mir beim Schreiben doch noch einige Ideen. Dann habe ich mir meinen iPod geschnappt und bin am Strand spazieren gegangen, habe auf das Meer geschaut, die frische Meeresbrise eingeatmet und mich von der Musik in Stimmung versetzen lassen und bin tief in meinen Roman eingetaucht. Schnell kamen da mal 10 km zusammen, wenn man so am Nachdenken ist und die Gedanken schweifen lässt. An einem Tag lief ich bis nach Rimini an den Hafen und am anderen Tag stand ich zum Abschluss meines Strandspaziergangs an der Grenze von der Emilia-Romanga zu den Marken, nämlich am Hafen von Cattolica.
Die einzige Konstante in meinem Tagesablauf ist das morgendliche Frühstück im Hotel. Alles andere mache ich nach Lust und Laune. Ich schreibe auf meinem Hotelzimmer, recherchiere im Internet, lenke mich mal mit anderen Dingen ab, z.B. auch mit diesem Blogeintrag. Dann gehe ich in der Bar kurz einen Caffé trinken, studiere dabei das italienische Leben, was immer interessant ist. Manchmal nehme ich mein Notebook und setze mich in ein Café. Ich gehe eine Kleinigkeit essen und mache einen kurzen Mittagsschlaf. Doch Zeit spielt keine Rolle. Ich verzichte auf deutsches Fernsehen, sondern lasse das TV-Gerät nur laufen, weil bei Radio Italia TV ausschließlich italiensiche Musik gespielt wird und das passt einfach zu meinem Roman.
Es ist ruhig in Riccione. Der Ort, der im Sommer eine Hochburg für Touristen ist und aus allen Nähten platzt, strahlt eine ganz eigene Atmosphäre aus mit seinen breiten, menschenleeren Stränden und den Bars, die nur von Einheimischen besucht werden.
Die Menschen sind gastfreundlich und neugierig, was ein Deutscher so alleine mitten im Januar hier macht. Natürlich habe ich den Adria-Express dabei, zeige ihn und sage, ich schreibe hier gerade meinen neuen Roman. "Der Adria-Express ist ein Roman, der in Riccione spielt?", fragen sie und freuen sich ehrlich. Ich bestelle in der kleinen Imbissbude eine Piadina con Salsiccia, einen Teigfladen mit italienischer Bratwurst. Doch jetzt im Winter hat der Chef nicht alles vorrätig. Doch er sagt nicht einfach, dass ihm die Salsiccia ausgegangen ist. Er schickt den Supermarktbesitzer, der eben noch in einem Mischmasch aus Italienisch, Deutsch und Englisch mit mir geplaudert hat, los. Und der kommt im Laufschritt mit einer Packung frischer Salsiccia zurück. Es dauert eine Weile, aber Zeit spielt in Riccione im Winter keine Rolle. Das tut gut. Uns würde so eine zumindest temporäre Entschleunigung in Deutschland auch gut tun. Aber für die meisten sind ja sogar die "ruhigen" Festtage um Weihnachten zu einem Stresstest verkommen. Die Piadina schmeckt klasse, wie nicht anders zu erwarten. Das ist Italien.
Ich besuche die Familie, die im "Adria-Express" für das Hotel Pasini Pate stand. Ich bin zum Essen eingeladen, es gibt ganz hervorragende selbstgemachte Nudeln, gleich zwei Sorten und danach noch Fleisch, Gemüse und Nachtisch. Auch die Töchter kommen vorbei und freuen sich, mich zu sehen. Ich könne doch immer zum Essen vorbeikommen und ich bräuchte doch nicht im Hotel zu wohnen, jederzeit bin ich herzlich Willkommen.
Die Menschen sind so herzlich, dass man sich hier nicht verlassen und einsam vorkommt. Es ist die perfekte Mischung, um als Autor zu arbeiten. Die Woche verging viel zu schnell und heute ist bereits der letzte Tag meines Riccione-Aufenthalts. Morgen geht es dann weiter nach Venedig. Eine Stadt, die im Winter auch ein anderes Gesicht zeigt als im Sommer. Auch dort, das weiß ich schon, werde ich gut arbeiten können und mich von der ganz besonderen Stimmung dieser einzigartigen Stadt zu dieser ungewöhnlichen Jahreszeit inspirieren lassen.
Und in Venedig schreibe ich den dritten Teil dieser Blogreihe und sage bis dahin Auf Wiedersehen und Arrivederci! Nun drücke ich auf "Veröffentlichen" und gönne mir darauf einen Aperol Sprizz im Caffé del Porto in Riccione. :-)
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Heiko (Sonntag, 20 Januar 2013 15:17)
Den Aperol Sprizz haste dir verdient.
;-)